Stade Pierre Mauroy, 40.000 Zuschauer
Der Sprung über die Grenze macht schlimmste Befürchtungen
wahr: Kaum aus dem Zug gefallen und die (man muss wohl ein "einst"
anfügen) wunderschöne Innenstadt erobert, sticht sofort der fatale
Fehler in die Augen: Diese Lille-aner haben doch in ihrer maßlosen
Verblendung eine - und ich bitte die unnötig entstandene Aufregung
sofort zu entschuldigen -, eine B E G E G N U N G S Z O N E in das
Zentrum gepflanzt. Die Autos fast vollständig verbannt, sind diese armen
Geschöpfe der Natur dazu verdammt mit 30 km/h durch die Gassen zu
kriechen. Wo die armen Pendler parken, die dann so wie ich einen
gepflegten Cappucino um wohlfeile 5,30 im "Le President" zu sich nehmen,
konnte ich mir beim besten Willen nicht zusammenreimen - eine Schande.
Das heruntergewirtschaftete Cafe war auch knapp vorm Schließen, fürchte
ich. Den absurd verschwendeten Platz für Fußgänger hab ich aus Protest
selbstverständlich nicht genutzt, meine Hinweise auf eine mögliche
Abstimmung über einen sofortigen Rückbau dieses Wahnsinns stießen aber
auf taube Ohren - was jedoch auch an meinen mangelnden
Französischkenntnissen gelegen haben könnte. Wie aus einer an sich gar
nicht so schlechten Idee wieder mal ein Albtraum für unsere besten
Freunde auf vier Rädern (die armen Behinderten mit nur zwei, teils gar
drei Rädern nicht vergessend) wird, sendet hier jedenfalls einen klaren
Hilferuf an die Welt.
Auch sonst haben diese Nordfranzosen einen Knall:
Aschermittwoch längst vorbei, aber den Fasching bekommen sie nicht aus
dem Kopf bzw. schon gar nicht vom Leib. Überall begegnen einem in
grellen Aufmachungen lustige Menschen - ekelerregend. Um die ganze
Fidelitá daher nicht eskalieren zu lassen, begebe ich mich in die Stadt
der Wissenschaft, im Südosten von Lille. Dort wurde mit dem Stade Pierre
Mauroy das Heilgtum des Pöbels errichtet. Nach rund zehn Minuten Fußweg
von der Endstation der Metro, die übrigens Fahrerlos operiert, nähert
man sich der Arena, die vom Außeneindruck an jene in München und Danzig
erinnert. Meine gewünschte Kategorie ist zwar ausverkauft, "but it turns
out" - wie mir der Ticketverkäufer meines Vertrauens schildert -, dass
ich bessere Karten um denselben Preis, nämlich 50 Euro, und damit um 50%
billiger, bekomme. Das Angebot schlag ich doch nicht aus!
Innen hat das Stadion nichts besonders Spezielles, kommt
aber schon ganz gut rüber. Einem flach abfallenden ersten Rang sind die
VIP-Bereiche und der steilere zweite Rang aufgesetzt. Die
Dachkonstruktion - die wohl einfahrbar ist - hebt sich von den letzten
Reihen ziemlich deutlich ab, wodurch es fast als Platzverschwendung
rüberkommt und automatisch nicht unbedingt für ein dichtes Gefühl sorgt.
40.000 Zuschauer geben gegenüber der Handvoll Montpellier-Anhängern
(auch neben mir sitzen ein paar) eindeutig den Ton an - sehr laut wird
dieser allerdings nicht. Dies mag allerdings daran liegen, dass der
Gegner aus Lille-Sicht nicht unbedingt ernst zu nehmen ist und es
"lediglich" um die Absicherung des dritten Ranges geht. Der doch sehr
große Fansektor direkt hinter dem Tor ist zwar ziemlich aktiv, der Funke
springt aber selten auf die anderen Ränge über. Nur beim schon sehr
beeindruckenden Wechselgesang mit der gegenüberliegenden Südtribüne und
in einigen abzählbaren anderen Momenten merkt man, dass das Stadion doch
ganz schön voll ist.
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